Eine Epoche im Oldenburger Münsterland - dargestellt am Beispiel Hof Funke Visbek
- Gemeinde Visbek
- 16. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Rezension von Bernd Koopmeiners
Es ist wohl etwas Besonderes, dass Dr. Kaspar Funke (68) Erinnerungen und Erlebnisse der Familie auf dem elterlichen Hof aufgezeichnet hat und dadurch Zeitgeschichte für die Nachwelt, insbesondere für die Visbeker Lokalgeschichte, bewahrt.
Der Autor erklärt: „Es war alles nicht vorgesehen“ und würdigt zunächst den Hauptlehrer Gerd Funke (1875-1958), einen Bruder seiner Urgroßmutter. Vor drei Jahren bekam er dessen Manuskript: „Der Funken Hof in Visbek“ (von 1954). Sein Interesse war geweckt, er begann mit der Fortführung der Hof- und Familienchronik. Nach ersten Recherchen, zahlreichen Gesprächen mit Angehörigen und weiteren Zeitzeugen sowie nach der Einsichtnahme von Unterlagen im Archiv des Heimatvereins Visbek, konnte er sein Buch schreiben. Funke hat Erinnerungen an seine Wurzeln und die Menschen in seiner Kinder- und Jugendzeit auf dem Funken Hof in Visbek nicht vergessen. Für ihn ist der Hof ein „Erinnerungsort“, an den sich gemeinsame Erlebnisse knüpfen, die für die Familie bis heute eine identitätsstiftende Bedeutung haben.
Persönlichen Vorbemerkungen als Einstieg folgen eine Würdigung von Gerd Funke, dessen kleine Chronik er weiterführte, die Historie zum Hof und eine Genealogie zu Vorfahren. Der Handwerkskunst von Tischlermeister Bernhard Funke (1865-1959) ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Über Vorfahren auf dem Hof (seit 120 Jahren) und die Generation seiner Eltern, verwandtschaftliche Verflechtungen, Fakten und Gegebenheiten, schreibt der Autor im dritten Kapitel des Buches. Beispielhaft erwähnt sind hier der bekannte Lohnunternehmer Gerd Funke (1931-2015) und seine Frau Anna (1934-2023). Gerd Funke war ein passionierter Pferdehalter und erfahrener Kutschenfahrer. Er hatte „Vierspänner“ und „Sechser“ für die Visbeker Königskutsche. Gerd holte den Bischof von Münster stets per „Achtspänner“ zur Visitation in Visbek ab.
In einem Exkurs im Teil 2 des dritten Kapitels informieren namhafte Autoren über „Techniken und Produktionsformen (in der Landwirtschaft) im Wandel der Zeit“.
Im Bewusstsein seiner Verbundenheit schildert der Autor aus seiner Sicht als ältester Sohn, das Familienleben auf dem Hof. Bei den genealogischen Daten im vierten Kapitel geht es ihm nicht um eine lückenlose Darstellung von Familienstammbäumen, sondern er konzentriert sich auf ausgewählte Personen. Funke würdigt besonders seine Mutter und seinen Vater als Eltern von acht Kindern. Der Autor vermittelt die historische Relevanz des Funke-Hofes, aber auch Charaktere von Personen dahinter, das macht sein Buch sehr persönlich.
Der Familientradition folgend, erhielt er als ursprünglich wohl vorgesehener Hoferbe den Vornamen Kaspar. Für ihn (Jg.1957) als erstes Kind, aufgewachsen mit sieben Geschwistern, war Plattdeutsch auf dem Hof die Muttersprache. Ein Kindergarten wurde in Visbek erst 1964 eingerichtet; seine jüngeren Geschwister besuchten ihn und lernten dort auch Hochdeutsch. Kaspar absolvierte das Gymnasium Antonianum in Vechta und leistete seinen Wehrdienst als versierter Reiter in der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf (Westf.). Mehrere Jahre gehörte er zum Bundeskader.
Funke studierte von 1977 bis 1982 Betriebswirtschaft an der Universität in Münster, anschließend war er vier Jahre an der RWTH Aachen bei Prof. Dr. Steffenhagen, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftspolitik und Marketing, tätig und erlangte dort seine Promotion.
Von Vechta aus begann er die Vermarktung von Pferdesportveranstaltungen; sein erster Auftrag war das Bundeschampionat, die Meisterschaft junger Pferde im Reiterwaldstadion Vechta im Jahre 1987. Über zehn Jahre war der Visbeker (bis Januar 2000) als Marketing-Experte partnerschaftlich mit Paul Schockemöhle aus Mühlen tätig. Sie planten gemeinsam internationale Reitturniere wie die „German Classics“ in Bremen und die Weltcupturniere in Berlin und in Dortmund. Funke hatte im Jahre 1987 die „Escon Marketing-Agentur für nationale und internationale Reitsportveranstaltungen“ (jetzt: Emstek, Europa-Allee 12,) gegründet. Er vermarktete Hallen-Reit- und Springturniere in Münster, in Oldenburg und in Hardenberg. Vier Jahre lang standen Veranstaltungen in Moskau unter seiner Obhut. Als Experte zeichnete er auch für Europameisterschaften in Verden, Hickstead (Großbritannien) und Donaueschingen sowie Weltcup-Finals in Frankfurt und Deutsche Meisterschaften verantwortlich.
Mehrere Funke-Familien haben sein Buch-Projekt konkret unterstützt, aber es gab auch kritisch-distanzierte Kommentare. Pferde und die Pferdebegeisterung auf dem Hof stehen im fünften Abschnitt im Zentrum. In den 60er Jahren kam es zu deutlichen Änderungen in der Landwirtschaft; auf dem Hof Funke wurden Hähnchen- und Putenmast betrieben. Die Kühe wurden abgeschafft und bis zu 25 Pferde gehalten. Der Gemüseanbau diente ab den 80er-Jahren als weitere Einnahmequelle. Sein Vater war auch Visbeker Ratsherr und vermittelte dem Unternehmer Halbert die Fläche für einen Betrieb an der Astruper Straße (heute Rehau). Mit Ackerflächen des Hofes Funke wurden für den Ort Visbek als Wirtschaftsstandort sowie für neue Baugebiete und die Umgehungsstraße wichtige Voraussetzungen geschaffen.
Von Josef Funke sen. wurden 1992 in Abstimmung mit seinem Sohn, Landwirtschaftsmeister Josef Funke, jun., Ackerflächen verkauft, um Alternativen realisieren zu können. Hoferbe Josef Funke ließ auf der alten Hofstelle in Visbek fünf Mehrfamilienhäuser („Stadtvillen“) errichten. Im Jahre 1994/95 erwarb Josef Funke Ackerflächen in Schleswig-Holstein und führt dort seinen großen modernen Betrieb.
M. Topp, C. Aka, Sr. M. Regintraut, Franz-Josef Holzenkamp, M. Richenhagen, K. Funke und U. Haring vermitteln mit ihren profunden Beiträgen weitere Aspekte im Rückblick auf eine Epoche im Oldenburger Münsterland sowie Perspektiven für die Region mit moderner Industrie. Das Buch besticht auch durch ein ausgewogenes Text-Bild-Verhältnis und das Bemühen des Autors um eine verständliche Sprache. Der wissenschaftliche Anspruch des Werkes ist durch Quellenbelege und wenngleich kurze Fußnoten gegeben.
Das Cover zeigt den Hof Funke um 1912; dort stehen heute fünf „Stadtvillen“ (Luftbild); auf den Innenseiten der Parcellar-Handriss von 1859, Flur No. IX Visbek, genannt „Funke“.
Dr. Kaspar Funke hat ein Buch vorgelegt, das nicht nur für Leser/innen in Visbek und im Oldenburger Münsterland von Interesse sein dürfte. Es ist ein lesenswertes, gut bebildertes (über 200 Fotos), facettenreiches Werk, das informiert, aber auch unterhält.









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